TAN (Hrsg.)
"Dem blutigen Zweck der Herrschaft ist die Kreatur nur Material"
Im Juli vergangenen Jahres veranstaltete die Tierrechts Aktion
Nord mit Moshe Zuckermann einen Workshop zum Mensch-Tier-Verhältnis der
Frankfurter Schule. Zuckermann, israelischer marxistischer Historiker und dem
Denken des Institut für Sozialforschung verpflichtet, stellte dabei nicht
nur die oftmals vergessenen und unterschlagenen Überlegungen von Adorno
und Horkheimer aus der "Dialektik der Aufklärung" zur Naturbeherrschung
vor, sondern versuchte auch Anknüpfungspunkte für die Tierrechtsbewegung
herzustellen. Die Beiträge Zuckermanns und die daran anschließende
Diskussion liegen nun in diesem Reader vor. Moshe Zuckermann eröffnet seine
Ausführungen mit einer Einführung in die Kritische Theorie der Frankfurter
Schule, in denen er kurz die Entstehung, Entwicklung und deren Hauptakteure
skizziert, sowie weiterführend die Überlegungen zum Naturbegriff und
zur Naturbeherrschung umreißt. Trotz des eingeschränkten Rahmens
gelingt ihm dies erstaunlich gut und eingängig, auch wenn er selber einräumt,
dass es "natürlich vollkommen lächerlich" sei, einen "der
komplexesten Denkkörper des 20.Jahrhunderts" in einem solchen Rahmen
darzulegen. Trotz dieser Selbstzweifel wird sogar der vorher unbedarfteste Leser
im Anschluss eine Grundvorstellung dieser Denkmodelle haben.
Im zweiten Vortrag knüpft Zuckermann an die zuvor dargelegten Überlegungen
an, dass der Mensch sich zur Naturbeherrschung von der Natur loszulösen
habe und seine innere Natur ebenfalls zu beherrschen habe. Diese Naturbeherrschung,
die auch die Herrschaft über die Tiere einschließt, ist wiederum
Voraussetzung für die Zivilisation. Gleichzeitig ist die Herrschaft des
Menschen über die Tiere - und damit auch ihre "moderne" Zurichtung
zur reinen Ware - mit der Herrschaft des Menschen über den Menschen verknüpft.
Hier spinnt Zuckermann den Faden nun weiter und sagt, jede Durchsetzung von
Tierrechten - die klar gegenüber dem Tierschutz von zahlreichen Organisationen
wie u.a. PETA abzugrenzen sind - ist nur dann realisierbar, wenn auch die Herrschaft
des Menschen über den Menschen aufgehoben wird. Wer also von Tierrechten
redet, kann vom Kapitalismus nicht schweigen oder wie er es selber formuliert:
"Die Frage eines Umdenkens in Beziehung auf das Verhältnis Mensch
und Tier [ist] ohne ein Umdenken in Beziehung auf das Herrschaftsparadigma insgesamt
nicht anzugehen. Das Umdenken des Herrschaftsparadigmas wiederum ist nicht zu
haben, ohne dass man ganz konkret das Paradigma des Kapitalismus als Herrschaftsparadigma
par excellence angeht." Zuckermann bringt hier also endlich einmal wieder
die Befreiung von Mensch und Tier nicht nur durch Floskeln zusammen, sondern
als sich gegenseitig bedingende Vorgänge. Die Einbeziehung der Kritischen
Theorie und ihrer Erkenntnisse würde der Tierrechtsbewegung - die zur Zeit
fast ausschließlich zwischen der moralische Empörung wecken wollenden
PETA, deren Kritik dann ebenso schnell moralisch wieder auszuhebeln ist, völlig
inakzeptablen Holocaustvergleichen und naiv-romantisierenden Landkommunen Vorstellungen
pendelt - daher sicherlich gut tun, zumal mit dem Einstellen der Zeitung VOICE
bereits eine emanzipatorische Stimme verstummt ist. Eine breite Rezeption ist
also wünschenswert und Zuckermann weiß nicht nur anschaulich zu erläutern,
sondern sich auch von Gedanken treiben zu lassen, um dann zum richtigen Zeitpunkt
wieder zum Wesentlichen zurückzukehren. Ein weiterer Workshop der TAN mit
dem Israeli soll folgen.
Simon Brüggemann
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